Grönland: Eiskaltes Abenteuer
Mit dem komfortablen Expeditionsschiff Sea Spirit geht es zu gigantischen Eisbergen, abgelegenen Inuitdörfern und kalbenden Gletschern.
„Eins, zwei, drei“, zählt Expeditionsleiterin Anja Erdmann. Paul, ein wettergegerbter Alpinist aus der Steiermark, strafft den Körper und springt. Der Fall ist kurz, doch die Landung raubt ihm den Atem. Paul hüpft von der Plattform des Expeditionsschiffs Sea Spirit ins arktische Meer, in die tiefblauen, wogenden Wellen vor der Westküste Grönlands. Der Schock der eisigen Kälte lässt ihn nach Luft schnappen, wild mit den Armen rudern und nach der rettenden Leine greifen. Schnell ziehen Anja und ihre Mitstreiter den arktischen Badegast aus den Fluten. Er hat keinen Blick für die glitzernden Eisschollen um ihn herum und die gigantischen, türkis schimmernden Eisberge, die wie schwimmende Kathedralen am Horizont vorbeiziehen. Er will nur raus. Paul hat den „Polar Plunge“, das Eisbad, gewagt. Mit ihm springen 17 der 81 Passagiere der Sea Spirit ins frostige Wasser und erwerben sich die Hochachtung der anderen, die in dicke Jacken verpackt den Minustemperaturen und dem scharfen Wind trotzen.
Polar Plunge: Sprung ins eiskalte Wasser
Der „Polar Plunge“ wird nicht der einzige Höhepunkt bleiben. 81 abenteuerlustige Passagiere sind in Grönlands 17.000 Einwohner zählenden Hauptstadt Nuuk an Bord des komfortablen Expeditonsschiffs Sea Spirit von Poseidon Expeditions gegangen, um die Westküste Grönlands zu erkunden. Sie wollen Eisberge und Gletscher sehen, Wale beobachten und in den kleinen Inuit-Siedlungen den traditionellen Trommelgesängen lauschen. „Dies ist eine Expeditionskreuzfahrt“, erklärt Anja gleich zu Beginn der achttägigen Fahrt. Vergesst alles, was im Programm steht. Bei uns geben Wind, Wellen und Eis die Richtung vor.“ Die Gäste blättern leicht verstimmt in ihren Reiseunterlagen und bangen um ihre persönlichen Highlights. Doch Anja gibt sich ungerührt und kündigt gleich für den nächsten Tag eine Programmänderung an. Die Packeiskante verläuft nach einem langen harten Winter weiter südlich als erwartet, so dass die erste Expedition früher ansteht als gedacht.
Am nächsten Morgen bläst ein scharfer Wind. Dunkle Schleier verdecken die Sonne und sorgen für eine gespenstische Atmosphäre. Das Meer ist steingrau und so aufgewühlt, dass kleine Schaumkronen auf den Wellen tanzen. Die Sea Spirit knarzt und wiegt sich trotz Stabilisatoren langsam von rechts nach links. Die Wellen gehen hoch, so dass der geplante Ausflug mit den Zodiac ein Wagnis ist. Alle sind heute in ihren roten Expeditionsparkas gekommen, tragen wasserdichte Hosen, Gummistiefel und die obligatorischen Schwimmwesten. Helfer sorgen dafür, dass auch weniger Bewegliche sicheren Schrittes in die auf und nieder schwankenden Zodiacs kommen.
Das Schlauchboot schiebt sich zwischen die Eisschollen
Bald sitzen die Passagiere dicht gedrängt auf den aufgepumpten Bootsrändern und ziehen sich die Kapuzen tief ins Gesicht. Zodiac-Fahrer Lauritz prescht voran und sucht eine Fahrrinne im treibenden Eis. Das Schlauchboot schiebt sich knirschend zwischen die Schollen und die Sea Spirit verschwindet weit entfernt im Dunst. Eine halbe Stunde geht die Fahrt durch den Nebel, als plötzlich der Himmel aufreißt.
Als hätte eine himmlische Macht die Backen aufgeblasen und einmal kräftig gepustet verziehen sich die Wolken ins Nirgendwo. Die Sonne blinzelt hervor und lässt glitzernde Lichter auf den Wellen tanzen. Mächtige Eiskolosse schwimmen langsam vorbei, manche ähneln Kathedralen, andere bizarren Türmen, gigantischen Pilzen, Wolkengebirgen oder fantastischen Monstern. Ein Eisberg scheint schöner und einmaliger als der nächste. Manche schimmern in kräftigem Türkis. Es sind Eisbrocken aus der Tiefe der Gletscher, dort wo der Druck besonders stark ist, so dass keine Luftbläschen mehr vorhanden sind, die das Licht brechen könnten. Viele zigtausend Jahre ist das Eis alt, abgebrochen von den Gletschern, die sich in riesigen Zungen in Grönlands Fjorde schieben.
Am nächsten Tag steuert die Sea Spirit die Diskoinsel mit dem Örtchen Qeqertarsuaq an. Hingetupft wie frische Farbflecken auf einem Ölgemälde glänzen die roten, gelben, blauen und grünen Holzhäuschen in der Sonne. Zwischen dem Schnee des vergangenen Winters luken winzig kleine Blüten, schwarze Flechten und Miniaturknospen hervor. Vorboten des Frühlings, der bald in einen kurzen, üppig grünen Sommer übergehen wird.
Doch bald schon drängt die Zeit und die Passagiere müssen zurück an Bord. Dort warten wie jeden Abend Lektorenvorträge, köstliche Dinner-Menüs, Pianomusik in der Bar und sehr komfortable Suiten. Auf der Rückfahrt geraten die Zodiacs in eine Gruppe von Grönlandwalen. Ihre schwarz glänzenden Rücken gleiten aus dem Wasser, um dann wieder in den Wellen zu verschwinden. An anderer Stelle prusten die mächtigen Tiere meterhohe Wasserfontänen in die Luft. Schließlich schwingt sich eine zweigeteilte Rückenflosse aus dem Wasser, Zeichen dafür, dass der tonnenschwere Koloss nun für viele Minuten, vielleicht sogar eine Stunde, untertauchen wird.
Mit dem Koffern unterm Hubschrauber zum Flughafen
Zurück an Bord trommelt Anja die Passagiere zusammen. Thema der Besprechung: eine weitere Programmänderung. Inzwischen sind die Gäste alte Expeditionshasen und hören nur noch mit halbem Ohr hin. Doch dieser Plan B hat es in sich. Die Sea Spirit kann nicht wie gedacht den Kangerlussuaq-Fjord entlangfahren, um die Passagiere am Abreisetag zum einzigen internationalen Flughafen Grönlands zu bringen. Der Grund ist einleuchtend: Der Fjord ist zugefroren.
Doch Expeditionsleiterin Anja präsentiert eine Lösung. „Wir fliegen euch mit dem Rettungshubschrauber aus. Die Koffer kommen in ein Netz, das wir unter den Hubschrauber hängen“, erklärt sie und wartet auf Proteste. Es bleibt still. Nach acht Tagen Expeditionskreuzfahrt sind die Passagiere tiefenentspannt. Sie nippen an ihren Drinks, diskutieren die Erlebnisse der vergangenen Tage und warten auf den ungewissen Fortgang ihrer großen Abenteuerfahrt entlang der zerklüfteten Küsten Grönlands.
Informationen
Das Schiff: Die Sea Spirit ist ein sehr komfortables Expeditionsschiff für maximal 114 Passagiere, das stets auch deutschsprachig geführt wird. Die Reisen werden von Experten wie Meeresbiologen, Geologen, Ornithologen, Geografen und Fotografen begleitet. Für Exkursionen stehen zehn bordeigene Zodiacs zur Verfügung. Die Passagiere sind in Suiten mit eigenem Bad untergebracht und können großzügige Gemeinschaftsbereiche wie Restaurant, Lounge, Bar und Bibliothek nutzen.
Routen: Die Sea Spirit gehört zur Flotte des Arktis- und Antarktis-Experten Poseidon Expeditions und steuert polare Ziele an. Dazu gehören Grönland, Island, Spitzbergen, die russische Arktis mit Franz-Josef-Land, die Antarktis, die Falkland-Inseln und Südgeorgien.
Buchung: Direkt bei Poseidon Expeditions (www.poseidonexpeditions.de, Tel. 040 756 68 555) oder anderen Kreuzfahrtanbietern, die auf Expeditionsreisen spezialisiert sind. 9Tage/8Nächte an Bord der Sea Spirit kosten auf der Grönland-Route ab circa 3.400 Euro.
Anreise: Ab Wien am besten mit Austrian Airlines nonstop nach Kopenhagen. Von dort geht es mit Air Greenland nach Kangerlssuaq/Grönland.
Buchtipp: Dumont Reisetaschenbuch Grönland von Sabine Barth, aktualisiert 2017