Namaqualand: Blühendes Paradies

von | Afrika

 

Diamanten in Südafrika:

Im Frühling blüht es, Polizisten pflücken Gänseblümchen und Glitzersteine liegen im Sand. Im einsamen Northern Cape, vier Autostunden nördlich von Kapstadt, blühen in unserem Herbst die Wiesen – da werden selbst harte Männer zu Romantikern.

Wenn Veronica eine Auszeit braucht, packt sie Ehemann William, Verwandte und Bekannte in den Toyota-Allrad und schlingert über die Dünen ans Meer. Dort wird zwischen rostigen Schiffsskeletten der Grill aufgebaut und riesige Mengen Springbok-Steaks und frisch gefangene Hummer auf den Rost geworfen.  Lustverzicht geht anders. Doch einer Versuchung müssen alle widerstehen. Funkelt und glitzert ein Steinchen verführerisch am Boden, greift keiner zu: Diamanten in Südafrika.

Noch immer liegen sie hier an der Westcoast im Sand. Sie gehören dem weltgrößten Diamantensyndikat De Beers. „Nicht anrühren“, sagt Dudley, „das gibt echt Ärger“. Dudley ist der Wächter über die karge Wüste mit den begehrten Glitzersteinchen, den Diamanten in Südafrika. Auch ungeschliffene Rohdiamanten sind keineswegs unscheinbar schwarz, wie gern erzählt wird. The girls best friends funkeln eindeutig teuer zwischen Dreck, Muscheln und Sand. Nur die dicken Brocken gibt es hier nicht mehr. Die hat De Beers abgeräumt und vergibt die Schürfrechte nun an Self-made-Abenteurer, die auf das Steinchen ihres Lebens hoffen. 

Diamanten in Südafrika: Glitzersteine aus Lesotho

 Seit ewigen Zeiten hat der mächtige Oranjefluss die Steine aus kristallisiertem Kohlenstoff aus dem Hochland des Königsreichs Lesotho mehr als 2000 Kilometer Richtung Atlantik gespült und sie ins Meer entlassen, das sie dann mit Wucht in die Wüste zurückgeschleudert hat – zum Aufsammeln für Glücksritter. Veronica lebt im Diamantensperrgebiet. Stacheldraht. Ein mürrischer Kontrolleur, der im scharfen Südostwind bibbert, will die Ausweise sehen. 

Schrottwagen im Hof, Perlhühner hinterm Haus

 Nicht weit hinterm Zaun hat Veronica ihre Guestfarm „Die Houthoop“. Warum in aller Welt ist diese gottverlassene Unterkunft mit Schrottwagen im Hof, gackernden Perlhühnern hinterm Haus und einer Aussicht wie auf eine umgewühlte Baugrube ausgebucht?  Der Grund ist einfach: Dies ist kein Guesthouse FÜR eine Attraktion, dies Guesthaus mitsamt Veronica IST die Attraktion. Viele Jahre hat Veronika die De-Beers-Minenarbeiter verköstigt. Als diese von dannen zogen, hat sie kleine Häuschen gebaut und alles mit Plüsch, Prunk und Plunder dekoriert. Zwischen Sammlungen von altem Blechgeschirr, Baseballmützen und handgemalten Sinnsprüchen serviert die 46-Jährige opulente Mahlzeiten und erzählt ohne Punkt und Komma von der Minenzeit, ihren sozialen Projekten und ihrem Engagement als kommunale Abgeordnete der Democratic Alliance-Partei.

Das Leben im Northern Cape ist rau – doch manchmal werden hier sogar die harten Männer weich. Dann, wenn die Gänseblümchen blühen. Wenn sich zwischen August und Oktober dieser Landstrich namens Namaqualand in ein leuchtendes Blumenmeer verwandelt, so als hätte ein Maler im Farbenrausch den Garten Eden auf die Leinwand bannen wollen. Karel du Toit ist Polizist in Springbok – groß, stämmig, mit einem Händedruck wie ein Schraubstock. Doch gleich darauf hält er ein zartes Blümchen in den massigen Fingern und murmelt einen lateinischen Namen. Vorsichtig setzt er seine großen Schuhe zwischen die zarten Blüten in Himmelblau, Sonnenblumengelb und leuchtend Orange. Er liebt die Ringelblumen, die Aloen, Lilien und vor allem die Sukkulenten. Diese winzigen kleinen Pflanzenknöpfchen, die sich in haarrissfeine Felspalten drücken und Potpourris wie aus einem japanischen Steingarten entwerfen. 

Seine große Liebe gehört der pinkfarbenen Jordaanniella

Blumenteppiche klingen verlockend – doch das Timing ist tricky. „Vielleicht Mitte Juli, manchmal im August, oft auch im September bis in den Oktober.“ Die Angaben von Bernard van Lente, dem Manager des Namaqua National Park, bleiben vage. Wenn er aus dem Fenster schaut, sieht er Blumen. Hügelauf, hügelab nur Blumen – ein orangefarbenes Meer bis zum Horizont. Er ist Meeresbiologe und kommt aus Johannesburg – nun sitzt er auf einer Wiese. „Auch schön“, sagt er. Wie Polizist Karel  gehört seine große Liebe einer leuchtend pinkfarbenen Schönheit mit fedrigen Blütenblättern namens Jordaanniella. Nur zu sehen ist sie nirgends. „Sie geht erst um drei nachmittags Uhr auf“, meint Bernard ­- das Timing bleibt tricky. 

Zeitlich ins Schwarze trifft am ehesten, wer sich ins Namaqua Flower Beach Camp einbucht, das für genau 30 Tage Zelte aufstellt – basic und doch komfortabel. Die safarigrünen Iglus kleben in den Felsen, eingerichtet mit Betten und Heizdecke, die ein Generator speist. Ein privates Duschzelt mit Heißwasser im Schlauch und morgendlicher Kaffee bringen Luxus in die Savanne. Rund um die Uhr toben die Atlantikwellen gegen das Riff, die Sonne taucht in diffusem Rosa in die Gischt ein und später hängt ein umgekippter Mond am Sternenhimmel. Die Verbindungen zur Außenwelt sind gekappt – Auszeit für jedermann.

Mango-Sorbet in der Wüste

Verzicht muss hier allerdings keiner üben. Dafür sorgt Mario. Vor elf Jahren ist er mit Ehefrau Trudi aus dem schweizerischen Fribourg  nach Gordon’s Bay an der südafrikanischen Gardenroute ausgewandert und kurvt nun mit Gattin und Gästen in seinem Allrad, einem wundersamen Gefährt mit überraschenden Gadgets, durchs Land. Crème Brûlée in der Kalahari, italienischer Espresso im Niemandsland – wer mit Marios „The 4×4 Safari“-Unternehmen reist, fährt kulinarisch auf der Überholspur.

Egal ob Löwen ums Camp streifen, Elefanten durchs Dickicht knacken oder die Geier über der Wüste kreisen – es wird aufgetischt. Wann Mario die Thunfisch-Mousse rührt, woher er den Greyerzer Rohmilchkäse hat und wieso es Mango-Sorbet in der Wüste gibt, bleibt ein Geheimnis. Wir staunen und heben die langstieligen Gläser mit wohl temperiertem Prosecco. Der Südostwind pfeift unablässig über die Felsen, die Blumen haben sich längst schlafen gelegt. Wir rücken am Lagerfeuer näher zusammen, lauschen dem Krachen der Wellen – und träumen vom ewigen Frühling im Namaqualand und vielen Diamanten in Südafrika. 

Informationen 

Reisezeit: Je nach Temperatur und Regenfall blüht das Namaqualand zwischen Mitte Juli bis in den Oktober hinein. Auch wer nicht in der Hauptreisezeit kommt, wird eine reichhaltige Flora finden. Das Northern Cape mit dem Namaqualand ist ganzjährig ein Erlebnis. Ein Besuch lohnt sich zum Beispiel bei einer Rundtour ab Kapstadt oder auf dem Weg von Kapstadt Richtung Norden nach Namibia, zum Beispiel mit Rückreise von Windhoek.

Anreise: Tägliche Verbindungen bietet South African Airways ab Frankfurt oder München nach Johannesburg oder Kapstadt und dann weiter ins Northern Cape nach Upington. In Kombination mit einem Langstreckenflug sind die Inlandsflüge deutlich günstiger, als wenn sie einzeln gebucht werden. Informationen unter www.askSAA.com, Buchungen unter www.flysaa.com oder Tel. 069/299803-20.

Rundtouren: Hervorragend organisierte Rundtouren mit kulinarischem Verwöhnprogramm bietet The 4×4 Safari (www.the4x4safari.co.za). Die Inhaber Mario Delaquis und sein Geschäftspartner Anton Ferreira stellen auf Wunsch individuelle Reiseprogramme durchs südliche Afrika von einem bis 30 Tagen Länge zusammen.  Die Betreuung ist auf Wunsch auf Deutsch, Englisch, Afrikaans oder Französisch möglich.

Unterkünfte:  Übernachtungsmöglichkeiten im Namaqua National Park bietet nur das Namaqua Flower Beach Camp (www.chiefstentedcamp.co.za, www.sanparks.org) zur Blumenblüte und einige Campingplätze für Selbstversorger, die vorher gebucht werden müssen (www.sanparks.org). Veronica van Dyk betreibt die Guestfarm Die Houthoop in Kleinzee (www.houthoop.info). An der Diamantenküste  liegen die Noup Divers Huts (www.noup.co.za), Cottages zur Selbstverpflegung direkt am Meer. Auf dem Weg von Upington zum Namaqua National Park bietet sich eine Zwischenübernachtung in Khamkirri mit Outdooraktivitäten wie Riverrafting auf dem Oranje an (www.khamkirri.co.za).

Ausflüge: Touren durchs Diamantensperrgebiet sind nur geführt möglich. Angeboten werden Schiffswrack-, Strand-, und Diamantentouren (www.coastofdiamonds.co.za).

Auskünfte: Deutschsprachige Informationen zum Reiseland Südafrika sind erhältlich unter www.dein-suedafrika.de oder der kostenfreien Service-Nummer 0800 118 9 118. Weitergehende englischsprachige Informationen gibt es unter www.northerncape.org.za und www.namaqualand.com.